5. Sehnsuchtsorte
„HEIMAT?“
Seltsam, nicht wahr, ich habe die Erde nie als Heimat empfunden. So als habe mich jemand ins Exil geschickt. Und lange Zeit wusste ich nicht, ob ich jemals würde zurückkehren dürfen.
Ein stilles goldenes Meer mit goldenen geometrischen Figuren darin und wandelnden Lichtgestalten war meine Heimat vor langer Zeit.
Hinter den sieben Bergen, hinter den sieben Weltmeeren, hinter den sieben Sternen liegt dieses Land in einer anderen Zeit.
Nein. Zeit ist nicht das richtige Wort. Denn Zeit gibt es dort nicht. Und „dort“ ist auch nicht das richtige Wort. Denn ein Ort ist meine Heimat ebenso nicht.
Seltsam, nicht wahr. Meine Heimat ist also die Zeit- und Ortlosigkeit, die Atopie.
Ist Zeitlosigkeit die Ewigkeit? Und Ortlosigkeit der Himmel?
Woher kommen die Schneeflocken? Diese zarten glitzernden Sterngestalten?
Ich sehe mich am Kinderzimmerfenster in der Kantstraße stehen, dem Ort meiner Kindheit. Die Stirn an die kalte Scheibe gepresst. Draußen schneit es. Zum ersten Mal sah ich Schnee. Lautlos fallen die weißen Flocken vom grauen Novemberhimmel.
Meine Mutter sagt, dass es Sterne seien. Und jeder sei von eigener Art. Nie gäbe es eine Schneeflocke zwei Mal.
Ich blicke in den wirbelnden, strömenden Sternentanz, werde aufgesaugt, bin mitten drin.
Und spüre Heimweh.
Sabine Herrmann
Fremde Heimat
Wo warst du?
fragt das Kind in mir.
Wo bist du?
fragt meine verletzte Seele.
Der Wunsch nach Geborgenheit
ist groß.
Und so
träume ich von
starken Flügeln,
die mich dorthin tragen,
wo,
ich mich zu Hause fühle.
War meine Suche nach dir
bisher erfolglos,
so will ich doch
nicht aufgeben,
das Vertrauen in mir
zu stärken
und
zu einer leuchtenden
Sonnenblume
wachsen zu lassen –
so groß, dass
ich mich unter ihr
verstecken kann,
wenn
Erinnerungen mich lähmen.
Vielleicht
bist du dann zu spüren, Heimat?
Mein Herz antwortet für dich.
nn
Komm
leeres Wort
das ich dich höre.
Du erzählst nie.
Trau dich
und bleib.
Ich fasse
Wort für Wort
und weiß doch
keinen Ausweg
zwischen den Zeilen.
In jenem Augenblick
klingt
ein du,
eine Spur
zum Gegenüber.
Ich lasse dich nicht los.
Schaukelnd auf Wolken
du einziges Wort
flieg zu mir.
Maile Ira Folwill
Puten–Aprikosen-Zauber
Essen ist eine Lust und kann viele gute Auswirkungen haben.
Ich verwandele zum Beispiel gerne meinen Puten-Aprikosen-Zauber in ein Gute-Laune-Essen und lade dazu Gäste ein, die es im Moment schwer mit sich selbst haben. Dabei kann es auch zu hilfreichen Gesprächen kommen und vielleicht sogar zu einer neuen Sicht der Dinge.
Eine gute Variante meines Puten-Aprikosen-Zaubers ist die Verwandlung zu einem VersöhnungsEssen. Dazu lade ich gerne meinen eigenen Mann ein, wenn ich irgendetwas wieder gut machen will. Ich sorge dafür, dass die Teller vorgewärmt sind, weil er das so gerne hat. Alles muss darauf abzielen, dass dieser Abend ein Erfolg wird.
Das Genießer-Essen mache ich gerne für Gäste, von denen ich weiß, dass sie so recht genießen können. In ihrer Nähe blühen Menschen auf, weil sie sich angenommen fühlen. Genussmenschen nehmen die blütenweiße Tischdecke wahr, das blankgeputzte Silber und das edle Glas des Weinkelches. Sie fühlen sich durch all das geehrt und verbreiten eine liebenswürdige Nonchalance.
Ich selbst möchte meinen Gästen nicht nur äußerlich entgegenkommen, sondern auch innerlich. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie für mich wichtig und wertvoll sind. Ein Gedanke aus der Bibel kommt mir dabei in den Sinn. „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ (Hebräer Kapitel 13,2).
Elisabeth Masuhr
Himmel ist dort, wo man zuhause ist
in der eigenen Wohnung
in der Tiefe der Seele
jenseits von allen Stürmen
in den Augen eines geliebten Menschen
in der Sehnsucht nach Gott
in der Hoffnung auf ein ewiges Miteinander
wenn man aufersteht aus Krisen
in der stillen Versenkung in ein Buch oder Kunstwerk
in der Hoffnung, dass alles gut wird
wenn man loslassen kann, weil man weiß man wird gehalten
Der Himmel ist in uns und zwischen uns
unsere Heimat
Stephan Kraus